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michaela jackson I’m not a lesbian but my girlfriend…

 

Sam, 19 Jahre, Potsdam

Hier bin ich nun. Ein 19 Jähriges Mädchen, was ihre Coming-out-Story erzählen möchte. Mein Name ist Sam und ich bin lesbisch.

Bei mir kam das Gefühl, dass ich wahrscheinlich anders bin, nicht plötzlich und unerwartet, sondern sehr langsam. Schon seit ich klein war fand ich Mädchen einfach viel besser und hübscher. Ich wollte auch im Kindergarten immer irgendwie ein Junge sein, da die es viel einfacher hatten. Gesagt, getan, zog ich mich wie einer an. Seitdem kam es dann häufiger vor, dass meine Eltern fremde Leute überzeugen mussten, dass ich wirklich ein Mädchen sei. Wer würde schon denken, dass ein Kind mit sehr kurzem Haarschnitt und Jungenklamotten ein kleines süßes Mädchen sei?! Niemand.

In der Grundschule fing es aber an abzuschwächen. Ich sah die anderen Mädchen und dachte, irgendwas ist falsch. Daraufhin ließ ich meine Haare lang wachsen und zog mich komplett anders an. Ich bekam zwar viel positives Feedback, aber irgendwie fühlte ich mich total unwohl. In der 3. Klasse hatte ich meinen ersten Freund. Stefan hieß er und war der beliebteste in unserer Klasse. Aber mehr als Händchenhalten war nicht drin. Es hielt auch nicht lange, was damit auch zu tun hatte, dass er einfach dumm war.

Ab der 6. Klasse dann, sah ich immer mehr Mädchen hinterher und flirtete sogar mit ihnen. Ich hatte auch einfach die Nase voll und wollte nicht mehr wie ein typisches Mädchen aussehen. Schnurstracks ging ich zum Friseur und ließ mir die langen Haaren abschneiden. Endlich mochte ich wieder mein Spiegelbild und kramte die alten Sachen heraus, die ich von meinem besten Kumpel bekommen hatte.

In den Sommerferien vor der 7. Klasse war ich mit meiner Oma in Norwegen unterwegs, wo was Unglaubliches geschah. Ein super süßes Mädchen kam plötzlich auf mich zu und fragte mich schüchtern, ob sie nicht meine Handynummer haben könne. Ich starrte sie erstmal komplett geschockt an und nickte automatisch. Eine Woche später bei der Rückreise mit dem Schiff sah ich sie wieder. Im Laufe der Fahrt haben wir uns oft angegrinst und ich fühlte mich einfach toll. Da wurde mir das erste Mal richtig bewusst, dass ich wirklich anders war als die anderen. Doch ich wusste auch, dass ich ihr endlich mal sagen sollte, dass ich kein Junge sondern ein Mädchen war, denn davon ging sie aus. So nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte es ihr draußen an der Reling. Ihr Blick war ein Foto wert. Sie sah mich sprachlos an und fing dann an zu stottern. Ich schaute nur verlegen weg und ließ sie einfach stehen. Ich sah sie nie wieder.

Nach diesem unglaublichen Urlaub wurden die Gefühle für Mädchen immer stärker, sodass ich es nach einem Jahr meiner besten Freundin anvertraute. Wir saßen beide im Auto, als ich es ihr plötzlich sagte. Sie grinste mich nur an und meinte, sie habe es die ganze Zeit gewusst und ich solle mir darüber keinen Kopf machen, dass es irgendwie unsere Freundschaft beeinträchtigen würde. Das war Erleichterung pur für mich. Kurz danach erfuhr es auch mein bester Freund. Ich hatte noch nie so große Angst, das jemandem zu sagen wie ihm. Ich kannte seine Meinung zu Homosexualität. Er hasste es. Doch er umarmte mich und ich fragte ihn, ob er damit wirklich klar kommen würde. Er nickte nur und seine Meinung änderte sich nach kurzer Zeit ins positive.

Ein paar Wochen später verliebte ich mich plötzlich in ein Mädchen aus meiner Klasse. Jeden Tag freute ich mich auf die Schule und das nur wegen ihr. Immer mehr versuchte ich mich mit ihr anzufreunden, sodass es wirklich so weit war, dass wir uns schon als gute Freunde bezeichnen konnten. Aber ich wusste genau, dass dies nicht gut gehen würde, da meine Gefühle immer stärker wurden. So wurde nach und nach die Nähe von ihr wie eine Qual für mich. Ich kapselte mich ab.

Um sie zu vergessen ging ich dauerhaft auf Partys und lernte auf einer Party meine erste Freundin Sandra kennen. Sie war total das Gegenteil von mir, aber genau das machte sie interessant. Wir verstanden uns auf Anhieb und waren 4 Monate zusammen. Die Trennung war schmerzvoll, aber auch befreiend, was mir erst später klar wurde.

Nun bezeichnete ich mich ich als Bisexuelle, dadurch, dass ich auch männliche feste Freunde hatte nach der Zeit. Diese hielten aber nicht gerade lange. Ich wusste zwar den Grund, aber als Lesbe wollte ich mich einfach nicht bezeichnen. Ich redete mir dauernd ein, ich mag Jungs und Mädchen gleich und nicht Mädchen mehr. Das änderte sich aber in der 10. Klasse. Wie üblich bekamen wir neue Mitschüler in unsere Klasse und eine davon war ein Mädchen, was mir sofort sympathisch war. Wir redeten zuerst nicht viel, da wir beide schüchtern waren. Dadurch stiegen wir um auf Zettel schreiben im Unterricht und ich lud sie nach einer Weile dann zu einem Fest in unsere Gemeinde ein. Wir scherzten, redeten und lachten sehr viel. Ich weiß nicht mehr genau was ich zu ihr gesagt habe, aber es hatte was mit Lesben zu tun, da sie plötzlich raushaute, ob ich was gegen Lesben hätte. Fragezeichen bildeten sich in meinem Kopf. Die erstbeste Frage, die mir einfiel war: „Bist du eine?“ Ich sah, wie sie überlegte, bis sie spaßeshalber meinte sie würde mich umbringen, wenn ich es jemandem sagen würde. Danach redeten wir locker über eine lesbische Sendung „The L Word“ die ich mir erst vor kurzen im Internet gekauft hatte. Ich wusste, dass ich ihr vertrauen konnte und so sagte ich nach einer Weile, dass ich auch auf Frauen stehe. Seitdem Moment waren wir unzertrennlich. Die Sam und die Elli.

Nach ungefähr 2 Monaten sagte mir Elli per SMS, dass sie es geschafft hatte. Sie hatte sich vor ihrer Mutter geoutet. Ich freute mich wahnsinnig für sie und nach ein paar Tagen nahm ich selber allen Mut zusammen und outete mich vor meiner Mutter. Sie meinte, es wäre nur eine Phase, die jeder Jugendliche mal durchleben würde und es bald vorbei gehen würde. Doch ich glaube, jetzt weiß sie, dass es nicht so ist. Meiner Schwester musste ich es sogar zweimal sagen, da sie es komischerweise einmal vergessen hatte. Doch auch beim zweiten Mal zuckte sie mit den Schultern und sagte „Was soll’s. Du bist und bleibst meine Schwester.“ Der letzte, der es erfuhr, war mein Dad. Er erfuhr es ein wenig durch meine Mutter und durch die Erkenntnis, dass seine liebe Tochter sich wahnsinnig auf den CSD freute. Da war es für ihn klar und er nahm es, wie die Anderen, gut auf, wofür ich dankbar bin.

In der Schule verlief auch alles ganz gut. Meine Freunde kamen alle super damit klar, sogar die meisten Typen in meiner Klasse. Viele Schüler wissen es in meiner Schule und ich denke mal, sie kommen damit klar. Auch wenn nicht, wäre es mir egal! Es ist mein Leben, nicht ihres!

Nach einer Weile waren Elli und ich langsam einer Meinung, dass wir endlich mal Gleichgesinnte kennen lernen wollten. Wir meldeten uns auf www.Lesarion.de an, einer lesbischen Community, und klapperten die Szene in Potsdam ab. Nach und nach lernten wir immer mehr kennen und tauschten unsere Lebenserfahrungen aus. Erstaunlich, was manche erlebt haben und wie sich einiges ähnelte. Das größte, was wir herausfanden war die N8schicht in Potsdam. Es ist eine Schwule-Lesben- und Freunde-Party die einmal im Monat Samstag stattfindet. Meist im Koschuweit in der Charlottenstrasse 31, die um ca. 21.30 Uhr beginnt und ein offenes Ende hat. Es ist abwechslungsreich und begeistert Jung und Alt. Ich weiß genau noch wie Elli und ich einen Samstag aufgeregt vor der Tür standen und Angst hatten reinzugehen. Drin endlich saßen wir in der dunkelsten Ecke des Raums und schauten interessiert, aber auch argwöhnisch, hin und her. Wir fühlten uns mehr als unwohl. Alle starrten uns an, da wir eindeutig neu waren. Da war es auch vorhersehbar, dass wir schon nach paar Stunden gingen. Wir hatten nicht getanzt, niemanden neues kennengelernt. Wir wollten einfach nur weg von hier, da alles so wahnsinnig neu war. Bei den nächsten N8schichten nahmen wir immer Freunde mit und so kam es, dass wir Stammgäste wurden. Nun tanzen wir bis in die Morgenstunde hinein und amüsieren uns köstlich. Es ist wirklich empfehlenswert.

Endlich freue ich mich auf jeden Tag, da ich mich sehr wohl in meiner Haut fühle, wie ich bin. Wer mich nicht akzeptiert, hat eben Pech gehabt. Ist doch egal ob Schwul, Lesbisch, Bisexuell oder Hetero. Wir sind alle nur Menschen.

Und wenn irgendwann mir mal die Frage gestellt wird: „Woher weißt du, dass du Lesbisch bist?“ Würde ich nur sagen. „Woher weißt du, dass du Hetero bist?“ Denn jeder ist wie er ist.


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