P.S. Ich bin schwul!
Oli, 17 Jahre, Bargteheide
Ich hatte mein Coming-out mit 15 Jahren. Zuerst habe ich es meiner besten Freundin erzählt, meine Eltern wussten noch nichts. Eines Abends hatte ich einen Riesenstreit mit meiner Mutter und bin dann einfach abgehauen zu meinem neuen Freund und anderen Kumpels. Sie schickte mir eine SMS hinterher: "Komm sofort zurück." Ich antwortete: "Nein, ich bin mit Freunden unterwegs. P.S. Ich bin schwul."
Ich habe gedacht, mein Vater würde mein Geständnis schlechter aufnehmen als meine Mutter, aber es war genau anders herum. Mein Vater war gerade im Ausland und schickte mir eine E-Mail: "Ich bin stolz, dass du zu deiner Sexualität stehst." Sie druckste herum: "Olli, das ist doch nur eine Phase…". "Nein", sagte ich, "das ist auf keinen Fall nur eine Phase.". Im Endeffekt hat aber auch meine Mutter gut reagiert. Sie hat mich sogar ins Leander in Potsdam gefahren, einer Anlaufstelle für Lesben und Schwule.
Ich habe ihr dann auch meinen ersten Freund vorgestellt. Eine Bekannte hatte uns verkuppelt, nach dem Motto: "Hey, du bist schwul? Ich kenne da einen." Es hat nur vier Wochen gehalten, aber die große Liebe kam wenig später. Wir saßen nebeneinander im Kino, langsam wanderten unsere Hände auf dieselbe Lehne, dann rückten die Knie zusammen und schließlich auch unsere Köpfe. Wir waren total verknallt.
Ich komme aus der Nähe von Bargteheide, da bin ich seit meinem Coming-out bekannt wie ein bunter Hund. Wenn die Leute an meiner Realschule sagen: 'Olli, der Schwule', weiß jeder, wer gemeint ist. Freunde und Bekannte fragen oft: 'Wie hast du es gemerkt?' Aber wie bemerkt man bitteschön, dass man hetero ist?
Ein paar Erlebnisse aus meiner Kindheit passen genau zu dem typischen Schwulen-Klischee; ich habe aber auch schwule Freunde, bei denen war es ganz anders. Ich habe nie gern mit Jungen gespielt. Autos und Fußball haben mich einfach nicht gereizt, und so habe ich schon in der Grundschule immer bei den Mädchen gesessen. Aber erst in der Pubertät fiel mir auf, dass ich anders ticke, als meine Mitschüler. Frauen fand ich immer "ganz hübsch" oder "supernett", gekribbelt hat es nur bei Männern.
Natürlich gibt es Idioten, die sich ihre Sprüche nicht verkneifen können. Eine Zeit lang kam ein Siebtklässler ständig auf dem Pausenhof zu mir und sagte: "Na Schatzi". Ich entgegnete einmal: "Hey Süßer, die Nacht mit dir gestern war wahnsinnig geil." Alle Umstehenden lachten, er hat nie wieder etwas gesagt. Offenheit ist die beste Verteidigung. Nach dem Coming Out wurde ich sogar weniger gehänselt als zuvor. Die anderen hatten ja nix mehr in der Hand, wenn sie "Schwuli" riefen. Das war ja nun ein unbestrittener Fakt.
Auf der Klassenfahrt haben einige Jungs in meinem Zimmer rumgepöbelt, jetzt müssten sie mit dem Arsch zur Wand schlafen. Als ob Schwule wahllos jeden Kerl nehmen würden. Dafür bin ich mit den Mädels immer dicke gewesen, die fanden es toll, einen schwulen Freund zu haben. Manchmal geht mir dieses "Du bist ja quasi eine von uns'" ein bisschen zu weit, zum Beispiel wenn sich die Pausenhofgespräche um sexuelle Details oder den weiblichen Zyklus drehen.
Sonst bin ich aber der ideale Mann zum Tratschen, demnächst nicht mehr auf dem Schulhof, sondern im Frisörsalon, wo ich meine Ausbildung beginne. Die Chefin und alle Angestellten wissen, dass ich schwul bin, und finden es super. Ich habe dort im letzten Sommer schon mal ein Praktikum gemacht, da wollten sie alles über die "Männerwelt" und meine Schwärme wissen.
Aber leider versteckt sich die Liebe gerade mal wieder vor mir. In der Schule oder im Freibad lerne ich natürlich nicht so viele Schwule kennen. Da haben es Heterosexuelle schon leichter. Ab und zu gehe ich auf Gay-Partys, bin dann aber meist zu schüchtern, um einen süßen Typen anzusprechen. Viele Schwule treiben sich in Chatrooms herum. Kein schlechter Platz, um Kontakte zu knüpfen, sieht man mal von den älteren Herren ab, die einem mit einem kleinen 'Taschengeld' ködern wollen. Und an One-Night-Stands habe ich auch kein Interesse.
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