Syphilis
Erreger
Das Bakterium Treponema pallidum.
Epidemiologie
Weltweit kommt es schätzungsweise zu jährlich 12 Millionen Erkrankungen. In Deutschland ist gegenwärtig mit 3.000-4.000 Erkrankungen pro Jahr zu rechnen; zwei Drittel der Erkrankten sind Männer; in den letzten Jahren wurde ein Anstieg bei schwulen Männern beobachtet. Wie Präventionskampagnen in den USA zeigen, kann die Zahl der Neuinfektionen durch Aufklärung, Information und frühe Behandlung erheblich gesenkt werden (in den USA 2001 niedrigste gemeldete Zahl von Syphilis-Fällen seit 10 Jahren).
Übertragungswege
Ansteckungen sind in Stadium I und II vor allem durch Kontakt mit den bei Erkrankung auftretenden Geschwüren möglich (Kontaktinfektion), z.B. bei Geschlechtsverkehr, aber auch Streicheln, Fisten u.a. Eintrittspforte sind kleine Verletzungen (Mikroläsionen) an Schleimhäuten oder Haut. Übertragung auch durch direkten Blutkontakt (Bluttransfusionen, gemeinsame Spritzbesteckverwendung bei Drogengebrauch) möglich. Da Treponema pallidum außerhalb des Körpers nur für kurze Zeit überlebensfähig ist, sind indirekte Übertragungen (z.B. Schmierinfektionen über gemeinsam benutzte Dildos, Spielzeuge oder Handtücher) sehr selten.
Symptomatik und Verlauf
Durch einen vielfältigen, individuell sehr unterschiedlichen Verlauf mit variablen klinischen Zeichen gekennzeichnet. Klinisch werden die erworbene Syphilis und die angeborene Syphilis (auch Lues connata) unterschieden; die erworbene Syphilis wird in Frühsyphilis (Stadium I und II) und Spätsyphilis (Stadium III und IV) eingeteilt. Unbehandelt verläuft eine erworbene Syphilis in verschiedenen, ohne ausreichende Therapie aufeinander folgenden Stadien: Stadium I: sog. Primärstadium, in dem ein kleiner, rundlich-ovaler, rötlicher Fleck als Primäraffekt am Eintrittsort auftritt und sich zu einem schmerzlosen, hochinfektiösen Geschwür verhärtet (sog. harten Schanker, Ulcus durum). Nach 3-5 Wochen kommt es zur Entzündung von Lymphbahnen (Lymphangitis) und Lymphknoten und einer schmerzlosen Lymphknotenvergrößerung (sog. Bubo). Abheilung des Ulcus in der 8.-12. Woche, es folgt das sog. Eruptionsstadium mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Nervenschmerzen (Neuralgien), Muskel-, Gelenk- und Knochenschmerzen, das den Übergang zum Stadium II kennzeichnet: nicht juckende Haut- und Schleimhauterscheinungen (sog. Syphilide), später Ausbildung von breiten Kondylomen (Condylomata lata), hellroten Hautflecken (Roseola), eventuell Mitbeteiligung anderer Organe (als Leber- oder Gefäßentzündung, Herz[muskel]schädigung, Augenentzündungen, eventuell erste Zeichen einer Mitbeteiligung des Nervensystems) und Haarausfall. Stadium III: ca. 3-5 Jahre nach Infektion (auch später) Ausbildung von Hautgeschwüren, großen Papeln und gummatösen Schwellungen an Schleimhäuten, knotige Infiltrate an Blutgefäßen und inneren Organen (sog. Syphilide), an denen in der Folge entzündliche Reaktionen auftreten. Stadium IV: sog. Neurosyphilis mit Beteiligung von Gehirn, Rückenmark bzw. Nervensystem; es werden unterschieden:
1. Tabes dorsalis
Sog. Rückenmarkschwindsucht; mit Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks und entzündlichen Veränderungen der Wurzeln der Rückenmarknerven; Auftreten in ca. 2-3% nach ca. 8-12 Jahren. Symptome: Pupillenstörungen (z.B. fehlende Pupillenreaktion, Engstellung), Augenmuskellähmungen, Sensibilitätsstörungen (v.a. verminderte oder aufgehobene Berührungsempfindlichkeit, Hyp- bzw. Anästhesie; Kribbelgefühl, Parästhesie), Fehlen von Muskeleigenreflexen, herabgesetzte Muskelspannung, Gelenkveränderungen, vegetative Störungen mit Bildung trophischer Ulzerationen besonders an den Fußsohlen, anfallartig auftretende, plötzlich einschießende Schmerzen und schmerzhafte tabische Krisen (meist im Oberbauch), Gang- und Gleichgewichtsstörungen, Blasen- und Mastdarmstörungen, Erektionsstörungen.
2. Lues cerebrospinalis
Mit Beteiligung von Gehirn und Rückenmark; Formen: a) vaskuläre Form mit intrazerebralen Gefäßendzündungen und -verschlüssen (Heubner-Krankheit), als Symptome treten abhängig von der Lokalisation Lähmungen, ein hirnlokales Syndrom, Hirnstammsyndrome (mit vegetativen Ausfällen), Hirnnervenausfälle und (bei Rückenmarkbeteiligung) Gangstörungen, Störungen des Lagesinns u.a. auf; b) meningitische Form mit Beteiligung von Hirnhaut und Gehirn mit Kopfschmerzen, Empfindlichkeit gegenüber Lichteinfällen, Nackensteifigkeit, Hirnnervenausfälle (v.a. Augenmuskellähmungen), Sehnervenentzündung (mit Sehstörung) und Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich; c) gummöse Form mit Ausbildung von Gumma, die von den Hirnhäuten (Meningen) ausgehen und in Abhängigkeit von der Lokalisation neurologische Ausfälle, psychische Alterationen, Lähmungen, Sprachstörungen, epileptische Anfälle, bei Beteiligung des Rückenmarks auch Rückenschmerzen, Sensibilitätsstörungen und Lähmungen (bis zu Querschnittläsion) verursachen können.
3. Progressive Paralyse
Auftreten in 8-10% nach ca. 10-15 Jahren; durch entzündliche Veränderungen des Großhirns, uncharakteristische Beschwerden (Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schwindel u.a.), z.T. epileptische Anfälle, Pupillenstörungen, Geh- und Gleichgewichtsstörungen (Tabes dorsalis) sowie psychopathologische Symptome wie zunehmende Demenz, Sprechstörungen, eventuell Manie und Größenwahn geprägt ist. Seltenere Form ist die sog. Lissauer-Paralyse, bei der neuropsychologische Herdsymptome wie Sprechstörungen (Aphasie), Störungen von Handlungen und Bewegungsabläufen (Apraxie), eventuell Schreibstörungen (Agraphie) oder Erinnerungsverlust (Amnesie) im Vordergrund stehen.
Diagnose
Eventuell schwieriger mikroskopischer Nachweis von Treponema pallidum in Primäraffekt bzw. Lymphknotenpunktat oder Liquor cerebrospinalis; serologisch: 1. Treponema-pallidum-Hämagglutinations-Test (TPHA-Test), wird ca. 3 Wochen nach Infektion positiv; 2. FTA-ABS-Test, wird ca. 2 Wochen nach Infektion positiv. Vom Nachweis von Treponema pallidum zu unterscheiden ist die Differenzierung und Beurteilung der Aktivität einer Syphilis (Behandlungsbedürftigkeit!) mittels VDRL-Test (etwa ab 5. Woche positiv) oder Kardiolipinbindungsreaktion (Komplementbindungsreaktion); Beurteilung des Therapieerfolgs anhand des Antikörperverlaufs, häufig bleiben typische Antikörper erhalten (sog. Serumnarbe).
Meldepflicht
Nichtnamentlich (anonym) meldepflichtig.
Therapie
Die Behandlung sollte so früh wie möglich erfolgen, die Dauer der Behandlung richtet sich nach dem Krankheitsstadium. Therapie der Wahl sind in jedem Krankheitsstadium Penicilline (i.d.R. intramuskuläre Gabe, bei regional beobachteter verringerter Empfindlichkeit der Erreger eventuell langfristig hochdosiert), bei angeborener Syphilis z.B. Benzylpenicillin; bei Allergie oder Unverträglichkeit eventuell Doxycyclin, Ceftriaxon oder Erythromycin (nicht liquorgängig, daher nicht bei Neurosyphilis). Eine Heilung der Syphilis ist in jedem Stadium möglich, jedoch bilden sich bereits vorhandene Organschäden in der Regel nicht zurück.
Prophylaxe
Eine Verringerung des Infektionsrisikos ist durch Verwendung von Kondomen bzw. Latexhandschuhen (Fisten) möglich; Dildos und Spielzeuge sollten nur von einer Person benutzt und vor Weitergabe lange und gründlich gereinigt werden. Information, Aufklärung und frühzeitige und konsequente Behandlung (unter Einschluss von Sexualpartnern und -partnerinnen) tragen zu einem erheblichen Rückgang von Neuinfektionen bei.
HIV-assoziierte Besonderheiten
Bei ausgeprägter Immunschwäche kann es zu beschleunigten oder atypischen Verläufen kommen; u.a. wurden Fälle beschrieben, bei denen die Symptomatik auf einen Verlauf wie bei einer "Reaktivierung" einer (bereits behandelten) Syphilis hinwies. Bei neurologischen Symptomen sollte immer auch das Vorliegen einer Syphilis mit Beteiligung des Nervensystems ausgeschlossen werden. Primäraffekte einer Syphilis begünstigen als Kofaktor die Übertragung von HIV-Infektionen.
Schwangerschafts-assoziierte Besonderheiten
Eine Mutter-Kind-Übertragung während der Schwangerschaft ist möglich. Als Lues connata oder angeborene Syphilis wird die intrauterin (ab dem 5. Schwangerschaftsmonat) diaplazentar übertragene oder während der Geburt erworbene Infektion mit Treponema pallidum bezeichnet. Bei früheren Infektionen (Frühysyphilis der Mutter während der Schwangerschaft) kommt es häufig zu Fehl- und Frühgeburten. Symptome beim konnatal infizierten Kind können u.a. sein: blasenbildende, ulzerierende Hautausschläge besonders an Handflächen und Fußsohlen, eitriger, blutiger Schnupfen durch Nasenschleimhautbefall (sog. Coryza syphilitica), Leber- und Milzentzündung (und Vergrößerung), Knorpel- und Knochenentzündungen (Osteochondritis z.B. mit Nasendeformität, sog. Sattelnase). Als Hutchinson-Trias wird das Auftreten tonnenförmiger oberer Schneidezähne, interstitieller Augenhornhautentzündung (Keratitis parenchmatosa) und Innenohrschwerhörigkeit bezeichnet.
Quelle: www.aidshilfe.de
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