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punkerIn Pritzwalk ist man als Schwuler ein Exot!

Maik, 16 Jahre, Pritzwalk

 

Angefangen hat das, glaube ich, schon bei meiner Geburt, da meine Eltern sich als zweites Kind ein Mädchen wünschten, ich aber nun einmal ein Junge geworden bin. Naja, ich weiß nicht, ob das eher von meinen Eltern ausging oder doch von mir, jedenfalls habe ich auch früher lieber mit Barbies gespielt als mit Autos. Fußball hasse ich auch, seit ich klein war, und ging eigentlich auch sonst eher in die Richtung des sensiblen Einzelgängers, bis wir dann, als ich 9 war, von Berlin in die Kleinstadt Friesack gezogen sind.

Dort kam ich an eine neue Schule und hatte gleich einen besonderen Stand, da ich aus der Großstadt kam. Das heißt, ich war während meiner Grundschulzeit immer ziemlich beliebt bei den Mädchen und hatte halt auch mehrere dieser „Kindergartenbeziehungen“ mit Küsschen und Händchen halten und so. Allerdings merkte ich früh, also so im Alter zwischen 12 und 14 Jahren, dass ich mich viel eher zu Jungen hingezogen fühle. Das größte Problem war, dass das erstens niemand von mir erwartet hätte, da ich der Mädchenschwarm der Schule war, und zweitens das auch selbst nicht wirklich wollte. Ich wollte lieber „normal“ sein, da man natürlich in der Schule auch viel mitbekommt, zum Beispiel homophobe Witze oder einfach die Lehre: Mann und Frau gehören zusammen und alles andere nicht. Wir wurden in der Schule zum Beispiel nie über Homosexualität unterrichtet – auch heute noch nicht. Ich besuche jetzt die 11. Klasse und bis zum heutigen Tag wurde nicht einmal dieses Thema im Biologieunterricht besprochen – ziemlich arm, wie ich finde. Tja, und das war wohl mit ein Grund, warum ich mir oft selbst einredete und inständig hoffte, dass das alles sicherlich nur eine Phase sei, die schnell wieder vorbei geht – aber das tat sie nicht. Heute kann ich sagen „zum Glück“, da ich mich wohl fühle, so wie ich lebe und was ich tue, aber damals war mein größtes Problem wohl ich selbst, weil ich das einfach so nicht akzeptieren wollte. Mein letzter Versuch, ans heterosexuelle Ufer zu schwimmen, war dann mit 14, als ich dann zum 2. Mal die Schule gewechselt hatte, ans Gymnasium nach Kyritz. Dort ging ich eine Beziehung mit einer Schülerin der Parallelklasse ein, was allerdings auch nur dazu diente, gar nicht erst bei anderen Leuten Zweifel zu wecken, ob ich eventuell schwul sein könnte, und auch um mich selbst zu belügen und mir einzureden, dass ich hetero wäre. So errichtete ich bildlich gesehen eine Fassade um mich herum und versuchte etwas zu sein, was ich nicht war. Das führte dazu, dass ich selbst große Probleme bekam, laufend schlecht gelaunt war und auch irgendwann keine Lust mehr hatte, unter Menschen zu sein, die mich nur mögen, wenn ich mich verstelle und in teuren Markensachen verkleidet oberflächliche Gespräche führte. So geriet ich nach der Trennung meiner damaligen Freundin durch meine beste Freundin in die Punkszene, wo ich mich wie in einer neuen Familie fühlte, da diese Leute mich hinnahmen, wie ich wirklich war und das war so eine Art persönliche Befreiung, die mir auch sehr geholfen hat. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich mir allerdings auch noch nicht eingestehen, dass ich schwul bin. Auch als ich mich dann im Ferienlager an der Ostsee in einen Jungen verliebte, der mein bester Freund wurde, wollte ich das zu dem Zeitpunkt nicht wahrhaben. Letztendlich war ich aufgrund meiner Verliebtheit auf jeden und alles eifersüchtig, so dass daran letztendlich unsere Freundschaft zerbrach. Dann lernte ich irgendwann Eric kennen. Eric ist ein kleiner blonder Junge, der 2 Jahre jünger ist als ich. Ich war 16 und er 14 Jahre alt und wieder verliebte ich mich über beide Ohren, nur dass ich dieses Mal wusste, dass ich schwul bin – nein, gar nicht wahr. Ich redete mir weiterhin ein, ich könne ja vielleicht bi sein, das aber nur, weil das in meinen Ohren wohl... ’nicht so schlimm’ klang. Eines Abends gab es in unserer Runde eine Diskussion über Bisexualität und einer meiner Freunde outete sich an diesem Abend. Auf dem Heimweg unterhielten ich und meine beste Freundin uns darüber und, ermutigt durch ihre positive Reaktion auf unseren bisexuellen Freund, sagte ich ihr dann als Erste, dass ich auch ‚bi’ sei. Sie hat das, glaube ich, damals nicht so wirklich geglaubt oder das eher als Scherz aufgenommen, aber seit diesem Tag erzählte ich es einem nach dem anderen und freute mich über all die positiven Reaktionen. Nicht einer meiner Freunde kam irgendwie an und sagte „Iiih, bist du eklig“ oder so, was ich eigentlich bis dato mein Leben lang gedacht hatte. Tja, und dann kam der Tag, an dem ich das alles Eric erzählte. Auch er reagierte positiv, aber ich sagte ihm nicht, dass ich in ihn verliebt war. Wir wurden immer bessere Freunde, bis wir wie Brüder waren, nur war mir das nicht genug und ich verfiel wieder meinem alten Muster, auf jeden und alles eifersüchtig zu werden, womit auch Eric nicht umgehen konnte. Darum kam es so ziemlich jeden Monat mindestens einmal zum Streit. Irgendwann war ich dann soweit, dass ich das alles nicht mehr ertragen habe und mit Selbstverletzung angefangen habe... Das natürlich aus dem Hauptgrund, um Eric zeigen zu können „Guck her, mir geht es schlecht und das wegen Dir!“ Heute weiß ich, dass das die dümmste Variante ist, zu versuchen seinen Freund unter Druck zu setzen, dass er bei einem bleibt. Meine Mutti hatte das natürlich irgendwie mitbekommen, denn ich hing ja ununterbrochen am Telefon um mit Eric zu telefonieren. Irgendwann hat das meiner Mama aber auch gereicht und sie gab mir erstmal Telefonverbot, woraufhin ich vor versammelter Familie einen riesigen Aufstand machte und die ganze Zeit nur grummelte „Ich will aber meinen Schatzi anrufen“. Mein Vater entgegnete mir dann: „Das ist schon wieder der nächste Punkt – andere Jungs haben Mädchen als Schatzi.“, worauf ich ihm nur antwortete „Ist ja schön für die anderen, ich hab eben ’nen Jungen“. Daraufhin war erst einmal Stille und ich verließ den Raum. Meiner Mutter machte meine Homosexualität eh nichts aus, das wusste ich aber auch vorher, dass ich da keine Angst haben brauchte, ihr das irgendwann einmal zu sagen, mein Vater allerdings hatte am Anfang doch ziemliche Probleme damit, denke ich. Ich hab mich dann mal mit ihm hingesetzt und mit ihm geredet. Er konnte sich das alles nicht vorstellen – einen anderen Mann zu lieben vielleicht, wie er sagte, aber niemals den Sex mit einem Gleichgeschlechtlichen. Ich habe ihm dann nur empfohlen das mal auszuprobieren und seit dem hat sich die Stimmung auch sehr gelockert. Jetzt vor ein paar Monaten hat mein Vater auch auf seinem 40. Geburtstag dem Rest der Familie meinen jetzigen festen Freund vorgestellt und auch seinen Freunden und Arbeitskollegen, was mir sehr geholfen hat, da ich nun weiß dass er zu 100% hinter mir steht.  Aber zurück zu mir und Eric – Eines Tages hab ich ihn mir dann mal geschnappt und wir sind allein, so gegen Abend, in eine verlassene alte Molke gegangen. Dort haben wir erst einmal eine Stunde gesessen und uns angeschwiegen, bis ich ihm dann gestand, dass ich ihn liebte. Seit diesem Tage war unsere Freundschaft ein angespanntes, laufendes Auf und Ab. Bis ich ihm eines Tages sagte, dass ich keine Lust mehr habe. Damit versuchte ich meine Gefühle zu unterdrücken, indem wir uns eine Zeit lang gar nicht mehr sehen wollten. Das hat mich psychisch sehr belastet und ich habe mich in viele flüchtige Sexbeziehungen gerettet, bis ich dann eines Tages wieder mal nach langer Zeit in den Proberaum zu den anderen Punks gegangen bin, wo ich lange nicht gewesen war, da es sehr viel mit mir selbst zu tun hatte. Dort war auch Dante, ein guter Freund, und ich habe mich so darüber gefreut ihn wieder zu sehen (und er sich wohl auch über mich), dass wir den ganzen Abend gekuschelt hatten. An dem Tag gab es keinen Eric mehr für mich und auch danach nicht mehr. Die neue Liebe hatte praktisch die alte abgelöst. Wir haben dann auch die Nacht im Proberaum zusammen verbracht, nur war mein großes Problem, dass ich nicht wusste, ob Dante nun mehr von mir wollte als nur neue Erfahrungen sammeln, oder ob er mich wirklich liebte. Letztendlich hat sich das alles so herausgestellt, dass er die selbe Angst hatte und seit dem sind wir halt offiziell ein Paar, seit einem Dreivierteljahr. Zwischen mir und Eric ist auch alles super, denn wir sind nun beste Freunde und haben uns nach vielen Aussprachen endlich so vertragen, dass ich mit Sicherheit sagen kann, dass wir auch in Zukunft füreinander da sein werden. Zur Verarbeitung meiner Probleme mit Eric und auch dem Konflikt mit mir selbst habe ich ein Buch geschrieben, das auch im Juli ’06 verlegt wurde. Das hat mir wirklich sehr geholfen, da ich auch denke, dass viele Leute meine Probleme kennen und ich ihnen mit meinem Buch vielleicht ein bisschen helfen kann, mit der ganzen Situation umzugehen.


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